Forgive yourself

28.06.2022
Liebe Leserinnen und Leser meines Blogs,


die letzten Wochen waren mal wieder sehr ereignisreich für mich. Gar nicht so sehr im Außen, sondern viel mehr im "Innen". Seit Anfang Mai beschäftige ich mich mit einem körperorientierten Ansatz zur Lösung von traumatischem Stress.

Anders als bei anderen Therapieformen, die vorwiegend auf der kognitiven Ebene arbeiten, macht sich diese Art der Traumaverarbeitung die Tatsache zu nutze, dass jede unserer Erfahrungen vom Körper beeinflusst wird bzw. vielmehr ein "körperlicher" Prozess ist.

Traumata hinterlassen Spuren im Körper.

In einer bedrohlichen Situation läuft in unserem Körper automatisch ein angeborenes Notprogramm ab: Er stellt ein hohes Maß an Energie bereit für Kampf oder Flucht. Als traumatisch wird Erlebtes dann, wenn man absolut nichts am Ausgang von Ereignissen ändern kann. Hilflosigkeit und Überforderung macht sich breit.

Der menschliche Organismus wird von der "Unlösbarkeit" seiner Situation überwältigt und reagiert mit Erstarrung oder Kollabieren. Wenn in der Vergangenheit Erstarrung die einzig mögliche Reaktion war bleibt ein großer Teil der Überlebensenergie an das Nervensystem gebunden, woraufhin der Organismus nicht in sein natürliches Gleichgewicht zurückkehren kann.

Erst wenn die dabei mobilisierte immense Energie entladen wurde, ist für den Körper die Gefahr vorbei. Ansonsten bleibt er weiterhin in Alarmbereitschaft. Der Körper steckt gleichsam in der Vergangenheit und in seinem Trauma fest, auch wenn der Geist bereits weiß, dass die Bedrohung vorbei ist. Ein typisches Anzeichen für ein auf diese Art dysreguliertes Nervensystem in Form von "blockierter Energie" ist (scheinbar unerklärliche) innere Unruhe, Angst und Übererregtheit.

Wie viele von euch bereits gelesen habe bin ich im Alter von etwa 6 Jahren gemeinsam mit meiner älteren Schwester in einem Aufzug "steckengeblieben". Dieses Erlebnis war für mein jüngeres Ich so einschneidend und ausweglos, dass mein System erstarrt ist. Ich war mir sicher, dass ich in diesem Aufzug sterben würde. Ich war in diesem Moment in einer Schockstarre und hatte bereits mit meinem (Über-)Leben abgeschlossen. Im Rückblick eine vollkommen logische und natürliche Reaktion.

Problematisch wurde es erst im Nachgang, als mein Körper - natürlich nur zu meiner Sicherheit - sein Notfallsystem auch dann noch abspielte, wenn eigentlich gar keine wirkliche Gefahr bestand. In Zügen, Bussen, Räumen ohne Fenster usw. - also an allen Orten, an denen die Fluchtmöglichkeit nicht direkt ersichtlich war. Panikattacken und Angstzustände waren die Folge.

Leider war es in der Vergangheit oft so, dass mein Verstand - der alte Quatschkopf - jede dieser Gelegenheiten, in denen sich Angst und Unruhe bemerkbar machten, nutzte, um sich (mich) so richtig selbst fertig zu machen. Diese kleine, fiese Stimme im Kopf kennen vermutlich viele. Sie sagt uns, dass wir es niemals schaffen werden mit der Angst zurecht zu kommen. Dass wir selbst schuld sind an unserer Misere. Dass wir einfach nichts auf die Reihe kriegen usw. Ich behaupte, dass sie bei Menschen mit psychischen Erkankungen besonders präsent ist. Und leider schenken wir ihr viel zu oft unsere Aufmerksamkeit und sind davon überzeugt, dass sie recht hat.

Du bist im Heilungsprozess

Doch diese Gedanken und deine "alten" Verhaltensmuster (oder diejenigen, die du noch verändern möchtest) sind alles Teil des Prozesses. Sie sind vielleicht aktuell noch sehr präsent, aber du bist bereits dabei dir bewusst zu werden, dass sie da sind. Und dass du sie nicht mehr glauben möchtest.

Vielleicht sind einige deiner (ungesunden) Verhaltensmuster bereits so lange aktiv, dass du davon überzeugt bist, sie niemals auflösen zu können. Doch du befindest dich gerade mitten im Prozess. Und du darfst dir selbst dafür verzeihen, dass du es in der Vergangenheit nicht anders wusstest. Du hast dein Bestes gegeben.

Bist jeden Tag aufgestanden und hast Dich deinen Herausforderungen gestellt. Bist vorangekommen, stehen geblieben, hingefallen. Hast deinen Weg immer wieder aufgenommen. Schritt für Schritt.

Und dein Körper hat dich dabei nie im Stich gelassen.

Nur wenn du deinen Körper dafür anerkennst, was er geleistet hat, dann kannst du die Vergangenheit abschließen. Denn er wollte immer nur eines: dein Überleben sicherstellen. So gut wie er es wusste.

Bei der körperorienterten Therapiemethode, die ich gerade ausprobiere, wird das Nervensystem sanft angeleitet, die während eines Traumas blockierte Energie zu entladen. Denn unser Nervensystem strebt unaufhaltsam danach sich selbst zu regulieren. Wir müssen wieder lernen ihm zuhören und in den Körper hineinzuspüren, um zu erfahren, was er braucht, um ein Trauma "zuende" zu erleben. So können Krisen und Traumata neu verhandelt werden .

Deine Jacqueline

Einen Versuch war es wert: Mit dem Kopf durch die Wand, 2018

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