L’enfer, c’est les autres

22.07.2022

Bei "meinen" Menschen fühle ich mich sicher und angenommen, wie ich bin.

Liebe Leserinnen und Leser,

heute möchte ich meinen Blogbeitrag mit einem Zitat des französischen Romanciers und Philosophen Jean-Paul Sartre beginnen.

L'enfer, c'est les autres.


Sartre fasst hier in einem Satz sehr gut zusammen, wie viele Menschen sich in sozialen Kontexten fühlen: sie sind sich unglücklich darüber bewusst, dass sie nicht herauskommen aus ihrer Abhängigkeit vom wohlwollenden Blick der anderen.

Ich möchte euch heute etwas über die SOZIALE ANGSTSTÖRUNG berichten, die den Betroffenen das Leben ziemlich schwer machen kann. Freundschaften, Hobbys, Beziehungen und auch die berufliche Karriere - also im Prinzip die komplette Lebenswelt - können darunter leiden. Soziale Phobien oder Ängste sind relativ häufig. Etwa 13 Prozent aller Menschen leiden in ihrem Leben zeitweise unter sozialen Phobien.

Eine Soziale Angst ist vor allem eine Angst vor sozialer Bewertung. Die Soziale Angststörung zeichnet sich dadurch aus, dass sich Betroffene vor der kritischen Betrachtung anderer Menschen fürchten - dabei ist es völlig egal, ob sie dabei tatsächlich bewertet werden. Sie befürchten die Betroffenen, dass sie die Erwartungen anderer Personen nicht erfüllen können oder dass sie im gesellschaftlichen Miteinander einer Prüfung unterzogen werden.

Dr. Christa Roth-Sackenheim vom Berufsverband Deutscher Psychiater (BVDP) sagt dazu:

"Sozialphobische Ängste zentrieren sich auf zwischenmenschliche Situationen, in denen Betroffene eine subjektiv empfundene Bedrohung des eigenen Selbstwertes verspüren. Die Ängste bestehen darin, vermeintliche Fehler zu machen, sich ungeschickt oder beschämend zu verhalten und negative Aufmerksamkeit bis hin zur Erniedrigung oder auch Kränkung zu erleben."

Menschen mit einer Sozialen Phobie fürchten sich demnach davor, von anderen Menschen als merkwürdig, peinlich oder gar lächerlich wahrgenommen zu werden. Ihr Verhalten (z.B. wie sie reden, essen oder laufen) oder sichtbare Zeichen ihrer Aufregung (Erröten, Schwitzen, Zittern, Stottern) sind ihnen peinlich. Die Betroffenen haben Angst, sich in der Öffentlichkeit zu blamieren oder unangenehm aufzufallen. Ihnen ist dabei durchaus klar, dass ihre Angst vor Menschen unbegründet und übertrieben ist.

Manche sozialen Phobien sind mit bestimmten leistungsbezogenen Situationen verknüpft und erzeugen nur Angstgefühle, wenn eine bestimmte Tätigkeit in der Öffentlichkeit ausgeübt werden muss. Typische Situationen, die viele von uns kennen sind z.B. das Reden in der Öffentlichkeit bei einem Referat oder ein gemeinsames Essen mit anderen.

Ich selbst hatte viele Jahre mit sozialen Ängsten zu tun. Sie traten auf vor und während Treffen mit Menschen, die mir privat nahestanden. Also Freunden, Verwandten, Bekannten. Auch größere Veranstaltungen waren mir unangenehm. Ich hatte immer Sorge, irgendwie negativ aufzufallen.

Meist hatte ich dann mit Symptomen einer Depersonalisation/ Derealisation, Zittern, innere Unruhe oder Schwindel zu kämpfen. Manchmal auch mit regelrechter Panik. Tatsächlich wusste ich oft schon im Voraus, wann ich diese Ängste haben würde. Es war mir damals nicht bewusst, aber es war die Angst vor einer sozialen Bewertung oder gefühlten Herabstufung meiner Person und sie Sorge als nicht ebenbürtig/wertvoll angesehen zu werden.

Irgendwann habe ich für mich eine kleine, innere Rangliste der "Aufregungspersonen" erstellt und versucht herauszufinden, warum genau ich eigentlich Angst vor dem Aufeinandertreffen mit diesen Personengruppen hatte.

Bei Menschen, die mir von sich aus viel Wertschätzung und Zuneigung zeigen, habe ich diese Probleme übrigens nicht. 😉

Anbei eine Liste (in absteigender Reihenfolge):

  • Personen, die mich in der Vergangenheit durch ihre Aussagen oder ihr Verhalten verletzt oder getriggert haben, bspw. durch übermäßiges Zu-spät-Kommen bei Verabredungen, Kommentare über mein Aussehen/meine Kleidung/mein Leben, Sprüche wie: "Was hast du denn da an/Wie siehst du denn aus?" "Jetzt studierst du immer noch. Du musst doch auch mal was arbeiten.", Kritik an dem, was ich tue
  • Vermuteter Grund: Ich war sehr schnell verletzt von derlei Aussagen oder Verhaltensweisen, habe mich abgewertet gefühlt oder nicht respektiert. Besonders bei Personen, deren Wohlwollen mir wichtig war, hat es mich besonders getroffen, wenn ich das Gefühl hatte, sie finden es nicht gut, was ich tue. Vor allem, wenn jemand übermäßig zu spät kommt ohne Bescheid zu geben, fühle ich mich nicht wichtig genug, um den Termin mit mir einzuhalten.
  • Personen, mit denen ich mich zuvor noch nie/erst ein paar Male getroffen habe oder lange Zeit nicht getroffen habe
  • Grund: Vermutlich weil ich nicht einschätzen kann, ob ich mich in ihrer Gegenwart sicher oder angenommen fühlen kann
  • Personen, die ich eigentlich nicht kannte und von denen ich annahm, dass sie mich nicht mögen
  •  Typisches Verhalten von Menschen mit geringem Selbstwertgefühl. Sie wollen von allen gemocht werden. Dabei reicht manchmal schon ein Stirnrunzeln eines eigentlich Fremden, um sich zu fragen, was man falsch gemacht hat. Gott sei Dank habe ich das mittlerweile größtenteils abgelegt.
  • Personen, die ich als extrem erfolgreich/selbstbewusst/cool/mutig wahrnahm bzw. wahrnehme, denn diese soziale Angst begleitet mich oft noch heute
  •  Grund: Ich neige dazu andere Menschen auf eine höhere Stufe als mich zu stellen. Ich denke, wenn jemand einen gut bezahlten Job hat, alleine verreist, total souverän eine Rede in der Öffentlichkeit hält etc. dann ist er/sie total stark und selbstbewusst. In der Folge fühle ich mich nicht ebenbürtig, denke die andere Person ist ja viel krasser als ich und frage mich, warum sie sich überhaupt mit mir treffen sollte.

"Die Hölle, das sind die anderen."

So sieht wohlfühlen aus :-)

Dieser Satz von Sartre war für mich lange Zeit mein Leben. Ich habe mich stets unter Beobachtung gefühlt und hatte Angst davor, dass andere schlecht von mir denken könnten oder das, was ich tue, nicht gut finden könnten. Wenn ich Kritik auch nur vermutet habe, bin ich sofort in die Verteidigungs-bzw. Rechtfertigungshaltung geschlüpft und habe versucht, meinen Wert unter Beweis zu stellen.

Ich habe mich in sozialen Kontexten oft unwohl gefühlt, hatte Ängste oder Beklemmungen, war unruhig und aufgeregt. Nach solchen Treffen war ich erst einmal erschöpft von der Anstrengung und musste mich zurückziehen, um meine Akkus wieder aufzuladen.

Heute lerne ich Schritt für Schritt diese Gedankengänge und Muster wahrzunehmen, umgebe mich mit Menschen, die mir guttun und beschäftige mich regelmäßig mit meiner mentalen Gesundheit, um diese Verhaltensmuster nach und nach aufzubrechen und abzulegen.

Ich hoffe, der Blogbeitrag hat dir einen Einblick in die Lebensrealität von Menschen mit sozialen Ängsten geben können.

Alles Liebe, Jacqueline

Quatsch machen. Da bin ich immer dabei!

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